Phaedrus 4,9

Latein

Vulpis et Caper

(1) Homo in periclum simul ac uenit callidus,
reperire effugium quaerit alterius malo.
(2) Cum decidisset uulpes in puteum inscia
et altiore clauderetur margine,
deuenit hircus sitiens in eundem locum.
(3) Simul rogauit, esset an dulcis liquor
et copiosus, illa fraudem moliens:
"Descende, amice; tanta bonitas est aquae,
uoluptas ut satiari non possit mea."
(4) Immisit se barbatus.

(5) Tum uulpecula
euasit puteo, nixa celsis cornibus,
hircumque clauso liquit haerentem uado.

Deustch

Der Fuchs und der Ziegenbock
(1) Sobald ein schlauer Mensch in Gefahr gerät, sucht er durch das Unglück eines anderen einen Ausweg zu finden.
(2) Als ein Fuchs unkundig in einen Brunnen gefallen war und durch den zu hohen Rand eingeschlossen wurde, kam ein dürstender Ziegenbock an denselben Ort.
(3) Sogleich er fragte, ob das Wasser süß und reichlich sei, versüßte jener seine Täuschung:
"Steig herab, Freund; dem Wasser ist eine solch gute Beschaffenheit zu eigen, dass mein Drang nicht gestillt werden kann."
(4) Der Bärtige stürzte sich hinein.
(5) Darauf entkam der Fuchs dem Brunnen, weil er sich auf die emporragenden Hörner stützte, und ließ den Ziegenbock in der abgeschlossenen Tiefe zurück.