Phaedrus 4,25

Latein

Formica et Musca

(1) [Nihil agere quod non prosit fabella indicat.]
(2) Formica et musca contendebant acriter,
quae pluris esset.

(3) Musca sic coepit prior:
"Conferre nostris tu potes te laudibus?
(4) Moror inter aras, templa perlustro deum;
ubi immolatur, exta praegusto omnia;
in capite regis sedeo cum uisum est mihi,
et matronarum casta delibo oscula;
laboro nihil atque optimis rebus fruor.
(5) Quid horum simile tibi contingit, rustica?"
(6) "Est gloriosus sane conuictus deum,
sed illi qui inuitatur, non qui inuisus est.
(7) Aras frequentas?

(8) Nempe abigeris quom uenis.
(9) Reges commemoras et matronarum oscula?
(10) Super etiam iactas tegere quod debet pudor.
(11) Nihil laboras?

(12) Ideo, cum opus est, nihil habes.
(13) Ego grana in hiemem cum studiose congero,
te circa murum pasci uideo stercore;
mori contractam cum te cogunt frigora,
me copiosa recipit incolumem domus.
(14) Aestate me lacessis; cum bruma est siles.
(15) Satis profecto rettudi superbiam."
(16) Fabella talis hominum discernit notas,
eorum qui se falsis ornant laudibus,
et quorum uirtus exhibet solidum decus.

Deutsch

Die Ameise und die Fliege
(1) Die Fabel lehrt, nichts zu tun, was nicht nützt.

(2) Eine Ameise und eine Fliege stritten heftig darum, wer von mehr Bedeutung sei.

(3) Als erste begann die Fliege so:

"Kannst du dich mit meinen Verdiensten vergleichen?

(4) Ich verweile zwischen den Altären und durchstreife die Tempel der Götter;

sobald geopfert wird, koste ich vorher alle Eingeweide;

ich sitze auf dem Kopf des Königs, wenn es mir gefällt, und raube keusche Küsse der vornehmen Damen;

ich bemühe mich um nichts und genieße die besten Dinge.

(5) Was gelingt dir Ähnliches, Bäuerin?“

(6) "Geselliger Umgang mit den Göttern ist freilich ruhmreich, doch für jenen, der eingeladen wird, nicht für jenen, der unerwünscht ist. (7) Besuchst du oft Altäre?

(8) Allerdings wirst du weggejagt, wenn du kommst.

(9) Du nennst Könige und Küsse von vornehmen Damen?

(10) Du rühmst dich auch über das, was zu verbergen der Anstand schuldet.

(11) Du bemühst dich um nichts?

(12) Daher hast du nichts, wenn du es brauchst.

(13) Während ich für den Winter eifrig Körner zusammensuche, sehe ich, dass du dich nahe bei der Mauer vom Mist ernährst;

während die Kälte dich zwingt, erstarrt zu sterben, nimmt mich unversehrt mein fülliges Heim auf.

(14) Im Sommer forderst du mich heraus; wenn es Winter ist, schweigst du.

(15) Gewiss habe ich ausreichend deinen Hochmut zum Schweigen gebracht.“

(16) Die Fabel unterscheidet solche Arten von Menschen, die sich mit falschen Verdiensten schmücken, von denen, deren Tugend wesentliche Taten vorweist.