Phaedrus 1,12

Latein

Cervus ad Fontem
(1) Ad fontem cervus, cum bibisset, restitit,
et in liquore vidit effigiem suam.
(2) Ibi dum ramosa mirans laudat cornua
crurumque nimiam tenuitatem vituperat,
venantum (PPA) subito vocibus conterritus,
per campum fugere coepit, et cursu levi
canes elusit.

(3) Silva tum excepit ferum;
in qua retentis impeditus (Abl. Abs.) cornibus
lacerari coepit morsibus saevis canum.
(4) Tum moriens edidisse vocem hanc dicitur:
"O me infelicem, qui nunc demum intellego,
utilia mihi quam fuerint quae despexeram,
et, quae laudaram, quantum luctus habuerint".

Deutsch

Der Hirsch bei der Quelle 

(1) Bei einer Quelle machte ein Hirsch Halt, und als er getrunken hatte, sah er im Wasser ein Abbild.

(2) Während er dort sein weit verzweigtes Geweih bewundernd lobt, und die zu große Zartheit seiner Beine kritisiert, begann er, plötzlich erschreckt durch die Stimmen der Jagenden, über das Feld zu fliehen, und mit leichtem Lauf wich er den Hunden aus.

(3) Dann nahm der Wald den Hirsch auf; in diesem fing er an, behindert durch die zurückgehaltenen Hörner, von den wütenden Bissen der Hunde zerfleischt zu werden.

(4) Es heißt, dass er dann sterbend diesen Ausspruch von sich gegeben habe: "O ich Unglücklicher, der ich nun endlich einsehe, wie nützlich mir das gewesen ist, was ich verachtete hatte, und wie viel Trauer das mit sich gebracht hat, was ich gelobt hatte."