Vier Zeitalter

Latein

(1) Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo,
sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat.               90
(2) Poena metusque aberant, nec verba minantia fixo
aere legebantur, nec supplex turba timebat
iudicis ora sui, sed erant sine vindice tuti.
(3) Nondum caesa suis, peregrinum ut viseret orbem,
montibus in liquidas pinus descenderat undas,               95
nullaque mortales praeter sua litora norant;
nondum praecipites cingebant oppida fossae;
non tuba derecti, non aeris cornua flexi,
non galeae, non ensis erat: sine militis usu
mollia securae peragebant otia gentes.               100
(4) Ipsa quoque inmunis rastroque intacta nec ullis
saucia vomeribus per se dabat omnia tellus,
contentique cibis nullo cogente creatis
arbuteos fetus montanaque fraga legebant
cornaque et in duris haerentia mora rubetis               105
et quae deciderant patula Iovis arbore glandes.
(5) Ver erat aeternum, placidique tepentibus auris
mulcebant zephyri natos sine semine flores;
mox etiam fruges tellus inarata ferebat,
nec renovatus ager gravidis canebat aristis;               110
flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant,
flavaque de viridi stillabant ilice mella.
(6) Postquam Saturno tenebrosa in Tartara misso
sub Iove mundus erat, subiit argentea proles,
auro deterior, fulvo pretiosior aere.               115
(7) Iuppiter antiqui contraxit tempora veris
perque hiemes aestusque et inaequalis autumnos
et breve ver spatiis exegit quattuor annum.
(8) Tum primum siccis aer fervoribus ustus
canduit, et ventis glacies adstricta pependit;               120
tum primum subiere domos; domus antra fuerunt
et densi frutices et vinctae cortice virgae.
(9) Semina tum primum longis Cerealia sulcis
obruta sunt, pressique iugo gemuere iuvenci.
(10) Tertia post illam successit aenea proles,               125
saevior ingeniis et ad horrida promptior arma,
non scelerata tamen; de duro est ultima ferro.
(11) Protinus inrupit venae peioris in aevum
omne nefas: fugere pudor verumque fidesque;
in quorum subiere locum fraudesque dolusque               130
insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi.
(12) Vela dabant ventis nec adhuc bene noverat illos
navita, quaeque prius steterant in montibus altis,
fluctibus ignotis insultavere carinae,
communemque prius ceu lumina solis et auras               135
cautus humum longo signavit limite mensor.
(13) Nec tantum segetes alimentaque debita dives
poscebatur humus, sed itum est in viscera terrae,
quasque recondiderat Stygiisque admoverat umbris,
effodiuntur opes, inritamenta malorum.               140
(14) Iamque nocens ferrum ferroque nocentius aurum
prodierat, prodit bellum, quod pugnat utroque,
sanguineaque manu crepitantia concutit arma.
(15) Vivitur ex rapto: non hospes ab hospite tutus,
non socer a genero, fratrum quoque gratia rara est;               145
inminet exitio vir coniugis, illa mariti,
lurida terribiles miscent aconita novercae,
filius ante diem patrios inquirit in annos:
victa iacet pietas, et virgo caede madentis
ultima caelestum terras Astraea reliquit.               150

Deutsch

(1) Das goldene Geschlecht ist als erstes entstanden, welches ohne Rächer, freiwillig und ohne Gesetz Treue und Recht bewahrte.

(2) Strafe und Furcht waren abwesend, und es wurden keine bedrohlichen Worte auf angehefteten Erztafeln gelesen, und keine demütige Schar fürchtete das Urteil ihres Richters, sondern sie waren ohne Rächer sicher.

(3) Noch ist die Fichte nicht gefällt worden und sie war noch nicht, um den fremden Erdkreis zu besuchen, von ihren Bergen in die klaren Wogen herabgestiegen, und die Sterblichen kannten keine Küsten außer ihre eigenen; noch umgaben keine steil abfallenden Gräben die Städte; es gab keine Tuba aus gerade, keine Hörner aus gebogenem Erz, keine Helme und kein Schwert: Ohne den Gebrauch eines Soldaten durchlebten die Völker sorglos ihre sanfte Ruhe.

(4) Auch die Erde selbst, unberührt vom Pflug und nicht verwundet durch irgendwelche Verletzungen, gab alles von sich aus, und zufrieden mit den ohne Zwang geschaffenen Speisen (mit den Speisen, die niemand erzwang) sammelten sie Feldfrüchte und Bergerdbeeren, Kornelkirschen, auf harten Brombeersträchern hängende Maulbeeren und Eicheln, die vom breiten Baum Juppiters herabgefallen waren.

(5) Es war ewiger Frühling, und ruhige Westwinde streichelten ihrer lauen Luft die Blumen, die ohne Samen gewachsen waren; bald trug die ungepflügte Erde sogar Früchte, und der noch nicht erneuerte Acker war von schweren Ähren weiß; bald strömten Flüsse von Milch, bald von Nektar, und gelber Honig tropfte von der frischen Steineiche.

(6) Nachdem die Welt unter Jupiters Herrschaft stand und Saturn in den dunklen Tartarus geschickt worden war, folgte das silberne Geschlecht, geringer als das goldene, wertvoller als bräunliches Erz. (7) Jupiter verkürzte die Zeit des alten Frühlings, und durch den Winter, den Sommer, den unbeständigen Herbst und einen kurzen Frühling führte er das Jahr in 4 Zeiträumen zu Ende.

(8) Damals glühte erstmals die Luft, verbrannt von trockener Hitze, und das im Wind erstarrte Eis hing herab; damals gingen sie erstmals in Häuser hinein; Häuser waren Höhlen, dichte Gebüsche und mit Rinde umflochtene Zweige.

(9) Damals sind erstmals Getreidesamen in langen Furchen begraben worden, und vom Joch gedrückt, stöhnten die Stiere.

(10) Nach jenem folgte als drittes das eherne Geschlecht (Generation), wilder vom Charakter und eher bereit zu den schrecklichen Waffen, dennoch nicht ruchlos; aus hartem Eisen ist das letzte.

(11) Sogleich brach in dieses Zeitalter des schlechteren Metalls der ganze Frevel ein: Scham, Wahrheit und Treue flohen; an ihren Platz traten Betrug, List, Hinterhältigkeit, Gewalt und die verderbliche Habgier.

(12) Der Seemann bot die Segel den Winden dar, die er bis jetzt nicht gut gekannt hatte, und die Schiffe, die zuvor lange auf den hohen Bergen rumgestanden hatten, tanzten auf den unbekannten Fluten, und den zuvor gemeinschaftlichen Boden, wie es das Licht der Sonne und die Winde sind, markierte der umsichtige Feldmesser mit einer langen Grenzlinie.

(13) Nicht nur Saaten und die geschuldete Nahrung forderte man vom reichen Boden, sondern man drang in die Eingeweide der Erde ein, und die Schätze, die sie verborgen und in der Unterwelt versteckt hatte, werden ausgegraben, Anreize für schlechte Taten.

(14) Schon war das schädliche Eisen und, schädlicher als Eisen, das Gold hervorgekommen; es nützt dem Krieg, der mit beidem kämpft und mit blutiger Hand die klirrenden Waffen schüttelt.

(15) Man lebt von Räuberei: Der Gastfreund ist vor einem Gastfreund nicht sicher, der Schwiegervater nicht vor dem Schwiegersohn, Freundlichkeit unter Brüdern ist auch selten; der Mann der Ehefrau droht ihr mit dem Tod, jene droht dem Gemahl, und schreckliche Stiefmütter mischen todbringende Gifttränke, und der Sohn trachtet vor dem Tag nach den väterlichen Jahren: Die Frömmigkeit liegt besiegt am Boden und die Jungfrau Astraea hat als letzte der Götter die durch Blut feuchte Erde verlassen.