Schöpfung

Latein

(1) Ante mare et terras et quod tegit omnia caelum               5
unus erat toto naturae vultus in orbe,
quem dixere chaos: rudis indigestaque moles
nec quicquam nisi pondus iners congestaque eodem
non bene iunctarum discordia semina rerum.
(2) Nullus adhuc mundo praebebat lumina Titan,               10
nec nova crescendo reparabat cornua Phoebe,
nec circumfuso pendebat in aere tellus
ponderibus librata suis, nec bracchia longo
margine terrarum porrexerat Amphitrite;
(3) utque erat et tellus illic et pontus et aer,                       15
sic erat instabilis tellus, innabilis unda,
lucis egens aer; nulli sua forma manebat,
obstabatque aliis aliud, quia corpore in uno
frigida pugnabant calidis, umentia siccis,
mollia cum duris, sine pondere, habentia pondus.               20

 

(4) Hanc deus et melior litem natura diremit.
(5) Nam caelo terras et terris abscidit undas
et liquidum spisso secrevit ab aere caelum.
(6) Quae postquam evolvit caecoque exemit acervo,
dissociata locis concordi pace ligavit:               25
ignea convexi vis et sine pondere caeli
emicuit summaque locum sibi fecit in arce;
(7) proximus est aer illi levitate locoque;
(8) densior his tellus elementaque grandia traxit
et pressa est gravitate sua;

(9) circumfluus umor                                                        30
ultima possedit solidumque coercuit orbem.

 

(10) Sic ubi dispositam quisquis fuit ille deorum
congeriem secuit sectamque in membra coegit,
principio terram, ne non aequalis ab omni
parte foret, magni speciem glomeravit in orbis.               35
(11) Tum freta diffundi rapidisque tumescere ventis
iussit et ambitae circumdare litora terrae;
addidit et fontes et stagna inmensa lacusque
fluminaque obliquis cinxit declivia ripis,
(12) quae, diversa locis, partim sorbentur ab ipsa,               40
in mare perveniunt partim campoque recepta
liberioris aquae pro ripis litora pulsant.
(13) Iussit et extendi campos, subsidere valles,
fronde tegi silvas, lapidosos surgere montes,
utque duae dextra caelum totidemque sinistra               45
parte secant zonae, quinta est ardentior illis,
sic onus inclusum numero distinxit eodem
cura dei, totidemque plagae tellure premuntur.
(14) Quarum quae media est, non est habitabilis aestu;
nix tegit alta duas; totidem inter utramque locavit               50
temperiemque dedit mixta cum frigore flamma.

 

(15) Inminet his aer, qui, quanto est pondere terrae
pondus aquae levius, tanto est onerosior igni.
(16) Illic et nebulas, illic consistere nubes
iussit et humanas motura tonitrua mentes               55
et cum fulminibus facientes fulgura ventos.
     

(17) His quoque non passim mundi fabricator habendum
aera permisit; vix nunc obsistitur illis,
cum sua quisque regat diverso flamina tractu,
quin lanient mundum; tanta est discordia fratrum.               60
(18) Eurus ad Auroram Nabataeaque regna recessit
Persidaque et radiis iuga subdita matutinis;
vesper et occiduo quae litora sole tepescunt,
proxima sunt Zephyro; Scythiam septemque triones
horrifer invasit Boreas; contraria tellus               65
nubibus adsiduis pluviaque madescit ab Austro.
(19) Haec super inposuit liquidum et gravitate carentem
aethera nec quicquam terrenae faecis habentem.
     

(20) Vix ita limitibus dissaepserat omnia certis,
cum, quae pressa diu fuerant caligine caeca,               70
sidera coeperunt toto effervescere caelo;
(21) neu regio foret ulla suis animalibus orba,
astra tenent caeleste solum formaeque deorum,
cesserunt nitidis habitandae piscibus undae,
terra feras cepit, volucres agitabilis aer.               75
     

(22) Sanctius his animal mentisque capacius altae
deerat adhuc et quod dominari in cetera posset:
natus homo est, sive hunc divino semine fecit
ille opifex rerum, mundi melioris origo,
sive recens tellus seductaque nuper ab alto               80
aethere cognati retinebat semina caeli.
(23) Quam satus Iapeto, mixtam pluvialibus undis,
finxit in effigiem moderantum cuncta deorum,
pronaque cum spectent animalia cetera terram,
os homini sublime dedit caelumque videre               85
iussit et erectos ad sidera tollere vultus:
sic, modo quae fuerat rudis et sine imagine, tellus
induit ignotas hominum conversa figuras.

Deutsch

(1) Vor dem Meer, dem Land und dem Himmel, der alles bedeckt, gab es auf der Erde nur ein einziges Aussehen der Natur, das sie Chaos nannten:

Eine rohe und ungeordnete Masse, nichts anderes als träges Gewicht und Anhäufung und ebendort miteinander kämpfende Samen der nicht gut verbundenen Dinge.

(2) Bis jetzt reichte kein Titan der Welt Lichtstrahlen dar und Phoebe stellte durchs Wachsen noch nicht neue Sicheln her und die Erde schwebte noch nicht in der sie umgebenden Luft, noch nicht hält sie ihr Gleichgewicht durch ihr eigenes Gewicht und noch hatte Amphitrite die Arme nicht um den weiten Rand der Länder gespannt.

(3) Zwar war dort die Erde, auch Luft und Meer, aber die Erde war ohne festen Stand, die Woge konnte man nicht durchschwimmen und die Luft hatte kein Licht; nichts blieb in seiner Form und dem einen stand der andere im Weg, weil Kälte und Wärme, Feuchtigkeit und Trockenes in einem Körper kämpften und es kämpfte Weiches mit Hartem und das, was Gewicht hatte, mit dem ohne Gewicht.

 

(4) Diesen Streit hob ein Gott oder eine bessere Natur auf.

(5) Denn er schnitt vom Himmel die Länder und von den Ländern die Wogen ab und sonderte von der dichten Luft den heiteren Himmel ab.

(6) Nachdem er sie entwirrt und aus dem unübersehbaren Haufen befreit hatte, band er sie, hinsichtlich der Orte geschieden, in friedlicher Eintracht:

Die feurige und nicht gewichtige Kraft des Himmels schwang sich empor und schuf sich am höchsten Punkt einen Platz.

(7) Hinsichtlich des Raumes und der Leichtigkeit ist jenem die Luft am nächsten.

(8) Dichter als diese ist die Erde und sie zog die bedeutenden Elemente an und wurde durch ihre Schwerkraft niedergedrückt.

(9) Das umfließende Wasser besaß die Ränder und hielt den festen Erdkreis zusammen.

 

(10) Sobald er, wer auch immer jener Götter es war, die auf diese Weise geordnete Masse geschnitten oder getrennt hatte und das Zerschnittene in Glieder gebracht hatte, verknäuelte er am Anfang die Erde, damit sie an allen Seiten gleich sei, zu der Gestalt einer großen Kugel.

(11) Dann befahl er, dass das Meer sich zu ergießen habe und durch reißende Winde anzuschwellen sei und dass die Küsten sich mit dem umspülten Land umgeben; er fügte sowohl Quellen als auch unermessliche Gewässer und Seen hinzu, und mit umwundenen Ufern umsäumte er die abschüssigen Flüsse.

(12) Diese werden nach Orten verschieden, teils von ihr selbst verschlungen, teils gelangen sie ins Meer und werden von der Fläche des freieren Wassers aufgenommen und stoßen anstatt an das Ufer an die Küsten.

(13) Er befahl den freien Flächen, sich auszubreiten, den Tälern, sich zu senken, den Wäldern, sich mit Laub zu bedecken und den steinigen Bergen, sich zu erheben; und wie den Himmel zwei Erdstriche auf der rechten und eben so viele auf der linken Seite zerschneiden, die fünfte ist wärmer als jene, so teilte die Vorsorge des Gottes die umschlossene Last durch dieselbe Zahl und gleich viele Gebiete werden auf der Erde betreten.

(14) Von denen ist das Mittlere wegen der Hitze nicht bewohnbar; zwei bedeckt hoher Schnee; Eben so viele hat er zwischen diese platziert und gab ihnen eine gemäßigte Temperatur, da er Hitze mit Kälte mischte.

 

(15) Über diesen schwebte Luft, die, wie viel das Wasser leichter als die Erde wiegt, so viel schwerer als das Feuer ist.

(16) Dort ordnete er den Nebeln, dort den Wolken an, sich zu platzieren und den Donnern, die menschlichen Sinne zu bewegen und den Winden, durch Blitze Wetterleuchten zu machen.

 

(17) Auch diesen erlaubte der Urheber der Welt nicht allerorten Luft zu haben; jetzt wird jenen kaum was entgegengesetzt, dass sie die Welt zerreißen, wenn jeder aus unterschiedlicher Richtung sein Wehen betreibt, so groß ist die Zwietracht der Brüder.

(18) Der Ostwind wich zur Morgenröte, zu den Reichen der Nabatäler und nach Persien zurück und zu den Bergrücken, die der morgendlichen Strahlung zugewandt sind;

der Abend und die Küsten, die sich durch die untergehende Sonne erwärmen, sind dem Westwind am nächsten;

der schauderhafte Nordwind fiel in Skythien und in Richtung des großen Bären ein;

den entgegengesetzten Teil der Erde macht der Regen vom Südwind durch unablässige Wolken nass.

(19) Darüber stellte er den klaren und von der Schwere befreiten Äther, der nicht irgendeinen zur Erde gehörigen Bodensatz hatte.

 

(20) Kaum hatte er so alles durch sichere Grenzen getrennt, als die Sterne, die lange Zeit durch undurchsichtige Dunkelheit verdeckt gewesen waren, anfingen, am ganzen Himmel aufzuleuchten.

(21) Und damit es kein Gebiet gebe, das von eigenen Lebewesen frei sei, halten die Sterne und die Göttergestalten den Himmelsboden, Die Wogen fielen den glänzenden Fischen zum Bewohnen zu, die Erde nahm die wilden Tiere auf und die bewegliche Luft die Vögel.

 

(22) Bis jetzt fehlte ein Lebewesen, heiliger als diese, empfänglicher für einen hohen Geist, eines, das die anderen beherrschen könnte: Der Mensch wurde geboren, sei es, dass jener Schöpfer der Dinge, der Urheber einer besseren Welt, diesen aus göttlichem Samen erschuf, sei es, dass das die junge Erde, die erst neulich vom Äther getrennt worden war, Samen des verwandten Himmels zurückbehielt. (23) Der Sohn des Iapetus machte diesen, gemischt mit Regenwasser, nach dem Bilder der alles lenkenden Götter, und während die anderen Lebewesen nach vorne geneigt die Erde betrachten, gab er dem Menschen nach oben gerichtetes Gesicht und befahl ihm, den Himmel zu sehen und das aufrechte Antlitz zu den Sternen emporzuheben:

So legte die Erde, welche eben roh und ohne Bild war, umgewandelt die unbekannten Formen der Menschen an.