Ocyroe

Latein

(1) Semifer interea divinae stirpis alumno
laetus erat mixtoque oneri gaudebat honore;
ecce venit rutilis umeros protecta capillis               635
filia centauri, quam quondam nympha Chariclo
fluminis in rapidi ripis enixa vocavit
Ocyroen: non haec artes contenta paternas
edidicisse fuit, fatorum arcana canebat.
(2) ergo ubi vaticinos concepit mente furores               640
incaluitque deo, quem clausum pectore habebat,
adspicit infantem „toto“ que „salutifer orbi
cresce, puer!“ dixit;

(3) „tibi se mortalia saepe
corpora debebunt, animas tibi reddere ademptas
fas erit, idque semel dis indignantibus ausus               645
posse dare hoc iterum flamma prohibebere avita,
(4) eque deo corpus fies exsangue deusque,
qui modo corpus eras, et bis tua fata novabis.
(5) tu quoque, care pater, nunc inmortalis et aevis
omnibus ut maneas nascendi lege creatus,               650
posse mori cupies, tum cum cruciabere dirae
sanguine serpentis per saucia membra recepto;
teque ex aeterno patientem numina mortis
efficient, triplicesque deae tua fila resolvent.“
(6) restabat fatis aliquid: suspirat ab imis               655
pectoribus, lacrimaeque genis labuntur obortae,
atque ita „praevertunt“ inquit „me fata, vetorque
plura loqui, vocisque meae praecluditur usus.
(7) non fuerant artes tanti, quae numinis iram
contraxere mihi: mallem nescisse futura!               660
(8) iam mihi subduci facies humana videtur,
iam cibus herba placet, iam latis currere campis
impetus est: in equam cognataque corpora vertor.
(9) tota tamen quare?

(10) pater est mihi nempe biformis.“
(11) talia dicenti pars est extrema querellae               665
intellecta parum confusaque verba fuerunt;
(12) mox nec verba quidem nec equae sonus ille videtur
sed simulantis equam, parvoque in tempore certos
edidit hinnitus et bracchia movit in herbas.
(13) tum digiti coeunt et quinos alligat ungues               670
perpetuo cornu levis ungula, crescit et oris
et colli spatium, longae pars maxima pallae
cauda fit, utque vagi crines per colla iacebant,
in dextras abiere iubas, pariterque novata est
et vox et facies; nomen quoque monstra dedere.               675

Deutsch

(1) Inzwischen war der Halbmensch froh über den Zögling (Kind) von göttlicher Herkunft und erfreute sich an der mit Mühe vermischten Ehre; siehe, es kommt, an den Schultern von rötlichem Haar bedeckt, die Tochter des Zentauren, welche einst die Nymphe Chariclo an den Ufern des reißenden Flusses gebar und sie Ocyroe nannte: Diese war nicht zufrieden damit, die väterlichen Künste erlernt zu haben; sie verkündete die Geheimnisse der Weissagungen.

(2) Sobald sie im Geiste weissagende Wut aufnahm und von dem Gott erglühte, den sie in ihrer Brust verschlossen hatte, blickte sie das Kind an uns sagte: „Junge, wachse zu einem Heilbringer für den ganzen Erdkreis auf!

(3) Oft werden sterbliche Körper in deiner Schuld stehen; dir wird das Recht zustehen, die entrissenen Seelen zurückzugeben, und einmal hast du dies gegen den Willen der Götter wagen können und wirst durch die großväterliche Flamme daran gehindert werden, dies wieder zu gewähren.

(4) Und aus einem Gott wirst du zu einem blutleeren Körper werden, und du wirst ein Gott werden, der du eben noch ein Körper warst, und du wirst dein Schicksal zweimal erneuern.

(5) Auch du, lieber Vater, jetzt unsterblich und nach dem Gesetz deiner Geburt dazu geschaffen, dass du alle Zeitalter überdauerst, wirst dir wünschen, sterben zu können, wenn du dann vom Blut der grässlichen Schlange, das du durch deine verwundeten Glieder aufgenommen hast, gepeinigt wirst; und die Gottheiten werden dich von einem Unsterblichen zu einem machen, der den Tod erleidet, und die dreifachen Göttinnen werden deinen Lebensfaden lösen.“

(6) Es blieb noch etwas von dem Spruch über das Schicksal übrig: Sie seufzt aus tiefster Brust, hervorbrechende Tränen tropfen aus ihren Augen und sie spricht so: „Das Schicksal kommt mir zuvor, mir wird verboten mehr zu sagen und der Gebrauch meiner Stimme wird verhindert.

(7) So viel waren die Künste nicht wert gewesen, die mir den Zorn der göttlichen Macht zugezogen haben: Lieber hätte ich das Zukünftige nicht gewusst!

(8) Schon scheint mir das menschliche Aussehen weggenommen zu werden, schon gefällt mir Gras als Nahrung, schon ist in mir der Drang, auf weiten Feldern zu weiden: Ich werde in eine Stute verwandelt, in einen verwandten Körper.

(9) Warum jedoch ganz?

(10) Ich habe doch einen zweigestaltigen Vater.“

(11) Während sie solches sagte, ist der letzte Teil der Klage kaum zu verstehen, und ihre Worte waren verworren.

(12) Bald scheinen es nicht einmal Worte noch jener Ton einer Stute zu sein, sondern als ahme jemand eine Stute nach; und innerhalb kurzer Zeit gab sie ein deutliches Wiehern von sich und bewegte ihre Arme ins Gras.

(13) Da wachsen die Finger zusammen und ein leichter Huf, der vollkommen aus Horn ist, verbindet 5 Nägel; die Länge des Gesichts und des Halses wachsen an, der größte Teil des langen Obergewandes wird zum Schweif, und sobald ihr die flatternden Haare über den Hals fielen, gingen sie in die rechts anliegende Mähne über; und zugleich sind Stimme und Aussehen verändert worden; das Wunder gab ihr auch den Namen.