Lycaon

Latein

(1) "ille quidem poenas (curam hanc dimittite!) solvit;
quod tamen admissum, quae sit vindicta, docebo.               210
(2) Contigerat nostras infamia temporis aures;
quam cupiens falsam summo delabor Olympo
et deus humana lustro sub imagine terras.
(3) Longa mora est, quantum noxae sit ubique repertum,
enumerare: minor fuit ipsa infamia vero.               215
(4) Maenala transieram latebris horrenda ferarum
et cum Cyllene gelidi pineta Lycaei:
(5) Arcadis hinc sedes et inhospita tecta tyranni
ingredior, traherent cum sera crepuscula noctem.
(6) Signa dedi venisse deum, vulgusque precari               220
coeperat: inridet primo pia vota Lycaon,
mox ait "experiar deus hic discrimine aperto
an sit mortalis: nec erit dubitabile verum."
(7) Nocte gravem somno necopina perdere morte
comparat: haec illi placet experientia veri;               225
nec contentus eo, missi de gente Molossa
obsidis unius iugulum mucrone resolvit
atque ita semineces partim ferventibus artus
mollit aquis, partim subiecto torruit igni.
(8) Quod simul inposuit mensis, ego vindice flamma               230
in domino dignos everti tecta penates;
territus ipse fugit nactusque silentia ruris
exululat frustraque loqui conatur: ab ipso
colligit os rabiem solitaeque cupidine caedis
vertitur in pecudes et nunc quoque sanguine gaudet.               235
(9) In villos abeunt vestes, in crura lacerti:
fit lupus et veteris servat vestigia formae;
canities eadem est, eadem violentia vultus,
idem oculi lucent, eadem feritatis imago est.

Deutsch

(1) "Jener freilich, lasst die Sorgen fallen, hat gebüßt; was sein Vergehen, was seine Strafe ist, werde ich euch dennoch berichten.

(2) Der schlechte Ruf dieser Zeit war in meine Ohren gedrungen; wünschend, dass dieser falsch sei, gleite ich vom hohen Olymp hinab und durchwandere als Gott in Menschengestalt die Erde.

(3) Es wäre eine lange Verzögerung (es würde lange dauern), aufzuzählen, wie viel Schuld überall gefunden wurde: Der schlecht Ruf war selbst noch geringer als das Wirkliche.

(4) Ich hatte den aufgrund der Verstecke der wilden Tiere unheilvollen Maenalus überschritten und mit der Cyllene die Pinienwälder des eiskalten Lycaeus:

(5) Von hier betrete ich den Sitz und das ungastliche Haus des arkadischen Tyrannen, als die späte Dämmerung die Nacht nach sich zog.

(6) Ich gab Zeichen, dass ein Gott gekommen sei, und die Menge hatte angefangen zu beten: Anfangs verspottet Lycaon die frommen Gebete, bald sagt er: "Ich werde durch eine klare Probe erfahren, ob dieser ein Gott oder ein Sterblicher ist: Und die Wahrheit wird nicht zweifelhaft sein."

(7) Er bereitet sich vor, mich, in der Nacht, schwer vom Schlaf, durch unerwarteten Tod zu ermorden: Diese Probe der Wahrheit gefällt jenem; und damit ist er nicht zufrieden; einer vom Stamm der Molosser geschickten Geisel durchschneidet er mit einem Dolch die Kehle, und teils kocht die so halbtoten Glieder im siedenden Wasser, teils hat er sie auf untergelegtem Feuer gebraten.

(8) Sobald er dies auf den Tisch gestellt hatte, habe ich mit rächender Flamme das Dach auf das seinem Herrn würdige Heim stürzen lassen; er selbst flüchtet erschrocken, erreicht die Stille des Landes, heult auf und versucht vergeblich zu sprechen: Von ihm selbst nimmt sein Gesicht Raserei an, und aus Gier nach dem gewohnten Morden wendet er sich gegen das Vieh und freut sich auch jetzt über das Blut. (9) Seine Kleider werden zu Zotteln und seine Arme zu Beinen: Er wird ein Wolf und bewahrt Spuren der alten Gestalt; das graue Haar ist dasselbe, der grausame Blick ist derselbe, es leuchten dieselben Augen, dasselbe Bild an Wildheit liegt vor.